Schenkungsurkunde
Holzweiler tritt in das helle Licht der Geschichte
AM 04. JUNI 898 TRITT HOLZWEILER, DAS DAMALIGE HOLTUUILARE
IN DAS HELLE LICHT DER GESCHICHTE
Dass der Ort Holzweiler viel älter als 1122 Jahre ist, ist unbestritten. Er stammt mit grenzender Wahrscheinlichkeit aus der Römerzeit, Bodenfunde aus dieser Zeit lassen diesen Schluß zu.
So sind zwischen dem Datum des Rückzuges der Römer aus dem Rheinland um 450 n. Christus und dem folgenden Datum der ersten Erwähnung des Ortes „Holtuuilare“ weitere 450 Jahre vergangen. In diesen Zeitraum fiel die fränkische Landnahme im linksrheinischen Raum. Hier ist also der Siedlungsbeginn und die erste Entwicklung unseres Ortes anzusetzen.
Als am 04.Juni 898 König Zwentibold, Sohn Kaiser Arnulfs im Karolingischem Reich, dem Essener Damenstift „Astnide“ die Pfarrei Holzweiler mit allem Besitz und allen Pfründen zum Geschenk macht, tritt Holzweiler in das helle Licht der Geschichte.
König Zwentibold vergibt in einer Schenkungsurkunde kurz nach seiner Trauung dem Damenstift („Astnide“) zu Essen, in welchem seine Gattin gelebt hatte, verschiedene Ländereien und Besitztümer. (Man könnte die als eine Art Mitgift bezeichnen. )
Hierunter auch die Königshufe Holtuuilare, das heutige Holzweiler. In dieser Schenkungsurkunde wird zum ersten Mal der Name des Ortes Holzweiler erwähnt.
Originaltext der Urkunde von König Zwentibold vom 04. Juni 898
In nomine sanctae et indiuiduae trinitatis. Zuentebolchus misericordia die rex. Si ecclesias christi uarie honoramus credimus hoc ad honorem nobis presentialiter nec non et ad futurum animae nostrae pertinere remedium. Ideoque nouerit fidelium nostrorum presentium et futurorum prudentia. Qualiter dilectissima coniunx nostra Oota. Nec non et unerabilis comes otto. Nostram adierunt clementiam. Ut cuidam uenerabili coenobio. Astnide uocato. Quod est constructum in honore beate die genitricis mariae. Et sancti saluatoris. Nac non et beatorum martirrum et cosmae et damiani. Cetrorumque innumerabilium sanctorum. Quo sanctimonialis femina nomine vuisburc. Famulabus inibus deo seruientibus. Preesse uidetur. Quasdam res proprietatis nostrae concederemus in proprium.
Quibus nos petentibus. Aurem pietatis nostrae accommodantes. Antenominato coenobio uelet postulauerent donauimus.
Quod est in pago coloniensi in uilla. Hohingesdorp. Et in colonia ciuitate. Et selstene. Et guntherisdorp. Et in pago aregueue, in uilla pisshunem. Inter totum hobam salicam et ecclesiam et XI. Mansos seruiles. Nec non et in pago cuzzihgeuue. Et in coloniensi. In uillis kirihdorp. Ciuirha. Mannunhem. Cuttide. Rudesdorp. Cloulo hobam salicam cum aliis XII. Et ecclesia. Et in pago magnensi in uilla pruteca. Terra arabilis cum curtile et uineis. In pago uero muolla et inlihgeuue. In uillis holtuuilare. Brismike. Curnilo. Hustine. Buhslar. Furtmala. Hoba salica et alias XX. Et in pago. In ascuuerid hoba I. Quocirka presens auctoritatis nostrae preceptum fieri iussimus. Per quod firmiter statuimus ut prenominatrae res cum omnibus sibi iuste conherentibus terris. Ecclesiis. Uineis. Mancipiis. Siluis. Aquis. Aquaeumque cursibus. Molendinis. Piscationibus. Quesitis et inquirendis. Ad prememoratum coenobium perpetualiter pertineant. Nulla ulterius inquietante persona. Quod ut firmiori tradatur auctoritati. Ipsi hoc subtus roborantes firmauimus. Annaloque nostro insigniri iussimus.
Signum domni Zwentebolchi glorosissimi regis. Uualtgerus notarius ad uicem rtpoti archiepiscopie archique cancellarii recognoui et s. Data. II. non iunii. Anno incarnatius domini. DCCC.XC.VIII. Indoctione. I. Anno uero regis piisimi Tuentibolchi. III. Actum ipso in monasterio sacrosancto die pentecoste. Astnide nuncopato. In die nomine feliciter amen.
Entnommen dem Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins. Erster Band: (779 – 1200). Düsseldorf 1840 (Abschrift d. L. Heupts Ostermontag, den 13. 04 1998)
Übersetzung der Urkunde von 898 ins Deutsche:
Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. Zwentibold, durch Gottes Gnaden König. Wenn wir die Kirche Christi mannigfaltig auszeichnen, glauben wir, daß die nicht nur gegenwärtig zu unserer Ehre, sondern auch dem zukünftigen Heil unserer Seele dient. Daher soll es zur Kenntnis aller unserer Getreuen, sowohl der jetzt lebenden wie auch der zukünftigen, gelangen, dass unsere liebe Gattin Oda sowie auch der ehrwürdige Graf Otto unsere Milde angerufen haben, dass wir einem gewissen ehrwürdigem Kloster, mit dem Namen Astnide bezeichnet, welches errichtet worden ist zur Ehre der seligen Gottesmutter Maria und des heiligen Erlösers, sowie zu Ehre der seligen Märtyrer Cosmas und Damianus und anderer unzähligen Heiligen, wo eine geistliche Frau namens Wigburg den dort Gott dienenden Mägden als Äbtissin vorsteht, gewisse, uns zugehörige Güter zu Eigentum übertragen. In dem wir diesen Fürbitten unser gnädiges Ohr zugeneigt haben, haben wir dem vorgenannten Kloster, gemäß den Ansuchen, als Geschenk übertragen.
Ein Gut im Dorf Hohingesdorp im Kölngau, die Güter Selstena und Guntherisdorp in der Stadt Köln, eine Königshufe, die Kirche und 11 hofesanhörige Mansen im Dorf Pissenheim im Ahrgau, je eine Königshufe mit anderen 12 diensthörigen Mansen in den Dörfern Kirdorf, Zieverich, Manheim, Küzzede, Desdorf und Gleuel im Künzig und Kölngau. Im Dorf Bruttig das Ackerland mit der Hofesstätte und den Weinbergen im Mayengau. Ferner im Mühl- und Jülichgau in den Dörfern Holzweiler, Borschemich Niederzier, Kleinbouslar, Mülforth, je eine Königshufe und 20 andere Mansen.
Deshalb haben wir den Befehl erteilt, gegenwärtiges Dokument unserer Willensmeinung anzufertigen, wodurch wir ernstlich verordnen, dass vorgenannten Güterkomplexe mit allen rechtlich dazugehörenden Ländereien, Kirchen, Weinbergen, Dienstleuten, Wäldern, Wasserläufen, Mühlen, Fischteichen in das Eigentum des vorgenannten Klosters übergehen sollen.
Damit diesem Akt beständige Rechtskraft beigemessen wird, haben wir die Urkunde unten durch Abdruck unseres Ringes bekräftigt und bestätigt.
Zeichen des Herren Zwentibold, des ruhmreichsten Königs und des Notars Waltgerus. Gegeben am 2. Tag der Nonen des Juni, im Jahre der Menschwerdung DCCCXVIII, in der ersten Indiktion, im vierten Jahr der Regierung des gerechten Königs Zwentibold. So geschehen im heiligen Kloster selbst, Astnide genannt, am Pfingsttag. Segen im Namen Gottes,
Amen.
(Übersetzt am Osterdienstag, den 14. April 1998 L. Heupts)
WER WAR KÖNIG ZWENTIBOLD?
Es ist sicherlich von Interesse, über diesen König, der vor 898 die Besitzungen in Holzweiler als Grundherr besaß und durch den der Ort in der mittelalterlichen Geschichte schon relativ früh bekannt wurde, einiges zu erfahren.
In diesem Zusammenhang ist es notwendig, die politischen Verhältnisse im 9. Jahrhundert kurz zu beschreiben.
Karl III. hatte noch einmal 885 vorübergehend das ganze Reich Karls des Großen vereinigen können, wurde jedoch durch Arnulf von Kärnten (Zwentibolds Vater) 887 gestürzt. Hierdurch löste sich das Frankenreich endgültig auf, Lothringen kam dabei zum Ostreich unter König (später Kaiser) Arnulf von Kärnten.
Unruhige Zeiten herrschten zu dieser Zeit im Lande, hervorgerufen durch den wiederholten Einfall der Normannen, die viele Städte plünderten und brandschatzten. Ob die kriegerischen Scharen auch in unserer näheren Umgebung ihr Unwesen trieben, ist bisher nicht bewiesen, keineswegs jedoch ausgeschlossen. 881 gelang es endlich Arnulf von Kärnten, in der Schlacht bei Löwen die Normannen vernichtend zu schlagen.
Drei Jahre nach dem letzten Eindringen der Normannen in die Rheinlande hat König Arnulf seinem Lothringen nochmals einen eigenen Regenten gegeben, den 24-jährigen Zwentibold, ein uneheliches Kind des Königs. „Der Gedanke, an die Spitze dieses unruhigen, eben noch von außen bedrohten Gebietes wieder ein ständig im Land residierendes Mitglied seines Hauses zu setzen, mag neben dem Wunsch, den Sohn zu versorgen, dabei wirksam gewesen zu sein.
Lothringen erhielt hiermit eine weitgehende Selbständigkeit, war aber immer noch teilweise vom Ostreich abhängig (Unterkönigtum).
Zwentibold regierte nur 5 Jahre; im Jahre 900 fiel er im Kampf gegen die vielen Aufständischen, seine Ruhestätte fand er in Süsteren (Holland). Er hatte es nicht verstanden, die Großen des Reiches auf Dauer an sich zu binden; Machtinteressen und Intrigen kennzeichneten die kurze Regierungszeit.
Zwentibold war verheiratet mit einer Adeligen, die vorübergehend als Kanonissin im Stift Essen lebte; vor allem hiermit wird das reiche Geschenk des Königs an das Damenstift in Verbindung gebracht.
Die Charakterzüge des Königs werden unterschiedlich bewertet: Energisch, tapfer, aber auch jähzornig, gewaltsam und roh. Als Feldherr war er wenig glücklich.
Nach dem Tode Zwentibolds unterstand das Gebiet Lothringens wieder dem Ostreich, als Herzogtum Lothringen hat es noch drei Jahrhunderte eine Rolle gespielt.
Das Herzogtum war in Gaue eingeteilt, durch eine Reihe von Urkunden ist die Gaueinteilung frühmittelalterlicher Zeit in den rheinischen Gebieten einigermaßen bekannt; als Gaugrenzen dienten vielfach natürliche Hindernisse wie Flüsse, Wälder oder Gebirgszüge.
Mühlgau, Jülichgau und Kölngau stoßen in unserem Raum ziemlich dicht zusammen. Holzweiler lag im Mühlgau (nach der Urkunde von 898 in „pago muolla“) unmittelbar an der Grenze zum Jülichgau und war offenbar lange Zeit von diesem durch einen ausgedehnten Waldstreifen getrennt, dessen Reste (Buchholzbusch) erst Mitte des 19. Jahrhunderts gerodet wurden.
Der Mühlgau, 837 als „comitatus Moilla“ (Grafschaft Moilla) erstmals erwähnt, umfasste ein Gebiet von Holzweiler und Erkelenz bis nach Herongen und Straten, den nördlichsten Stellen des Gaues.
(Eine Analyse von Paul Blaesen entnommen aus dem Buch „Holzweiler – ein Beitrag zur Geschichte“)